Fahrradtouren als Anfänger – ein ErFAHRungsbericht
Normalerweise bin ich vor allem innerstädtisch, auf kürzeren und mittellangen Strecken unterwegs. Im Oktober habe ich die Strecke Frankfurt-Köln auf dem Fahrrad absolviert und möchte meine Erfahrungen und Erlebnisse mit Euch teilen.
Die Idee
Die Idee für die Radtour, die ich im Folgenden beschreiben möchte, entsprang zwei Gründen. Drei Jahre lang habe ich für mein Studium an der Goethe Universität in Frankfurt gelebt, doch jetzt ist die Bachelorarbeit abgegeben und der „Rückzug“ in meine Heimatstadt Köln steht an. Alles, was in mein Wohnheimzimmer gepasst hat, lässt sich mit einem Auto problemlos in die Domstadt transportieren. Alles, bis auf eines – mein Fahrrad. Es in Frankfurt zu lassen wäre keine Option, es mit dem Zug nach Köln zu transportieren jedoch schon. Allerdings stellt dies eine eher witzlose Möglichkeit dar. Ein Fahrrad ist doch zum Fahren da, nicht um es per Zug von A nach B zu befördern. Außerdem dachte ich bei diversen IC-Fahrten durch das Rheintal: Schön hier. Die Natur des Zugfahrens ist es jedoch, dass selbst die schönste Landschaft meist viel zu schnell an den Fenstern und den im Zug sitzenden Reisenden vorbeizieht. Eins und eins zusammengezählt kam mir die Idee zur Lösung meines Problems: Ich fahre mit dem Rad von Frankfurt nach Köln.
Viele Langstreckenradler werden mich und meine Planungen belächeln, doch ich bin alles andere als ein Langstreckenradler, im Gegenteil. Die letzte längere Radtour, bei der es sich zugegebener Maßen auch nur um einen Tagestrip handelte, liegt schon viele Jahre zurück. Die anstehende Strecke wird all meine bisherigen Radfahrerlebnisse in den Schatten stellen. Dazu kommt, dass ich die letzten dreieinhalb Monate größtenteils in einem Dreieck aus Bibliothek, Studentenwohnheim und Supermarkt verbracht habe, in welchem die Wege so kurz waren, dass sich das Auf- und Abschließen des Rades so gut wie gar nicht gelohnt hätte. Dies sorgt dafür, dass meine ohnehin nie olympiataugliche Kondition wahrscheinlich nicht einmal für eine Teilnahmeurkunde bei den Bundesjugendspielen reichen würde. Außerdem kam mir die Idee in einer Zeit, in der die Temperaturen um die 30 Grad lagen und in dem aufgeheizten und unkühlbaren 50er-Jahre Bau in Mainhattan auch nur der Gedanke an Fahrtwind und die frische Luft am Rhein, dem Schweiß für wenige Sekunden Einhalt gebieten konnte. Mittlerweile ist es jedoch Oktober geworden. Die Temperaturen liegen zeitweise im einstelligen Bereich, es hat die ersten fiesen, durchdringenden Nieselregen gegeben und irgendwie klingt das aufgeheizte und unkühlbare Zimmer auf einmal ziemlich gemütlich. Also doch lieber Zugfahren? Nein. Denn eigentlich ist die Fahrradtour eine gute Idee, die umgesetzt werden sollte. Und meine „eigentlich-eine-gute-Idee-die-man-mal-umsetzen-sollte-aber-nee-irgendwie-gerade-doch-nicht-vielleicht-ja-wannanders“-Liste ist entschieden zu lang. Diese Idee wird in die Tat umgesetzt!
Die Route
Die Route die ich mir überlegt habe klingt eigentlich simpel. Die erste Etappe führt am Main entlang über Mainz nach Wiesbaden. Die zweite Etappe, entlang des Rheins bis Koblenz und die dritte und letzte Etappe von Koblenz nach Köln. Von der Mainmündung bis nach Köln führt mich die Strecke etwa 189 Rheinkilometer vorbei an Städten wie Bingen, Boppard und Bonn, durch das Rheintal und am Fuße der Loreley entlang. Hinzu kommen die 37 Kilometer von Frankfurt zur Mainmündung. Eine reine Fahrtstrecke von 226 zu radelnden Kilometern, mögliche Umwege nicht miteinberechnet. Das einzige, worauf ich achten muss ist, dass der Fluss zu meiner Rechten oder Linken immer in die Richtung fließt, in die ich fahre. Oder? Zur Not gibt es ja Google Maps, da muss man keine große Routenplanung im Voraus vornehmen. Oder? Das wird schon klappen. Ein Argument, welches die Strecke gerade für einen Anfänger attraktiv macht, ist die Tatsache, dass die meisten Ortschaften auf dem Weg von der Deutschen Bahn erschlossen sind. Sollten die Kräfte also nicht mehr reichen, oder eine größere Panne die Weiterfahrt behindern, ist die nächste S-Bahn-, Regionalbahn- oder Intercity-Haltestelle nicht allzu weit entfernt und Köln oder ein anderes Zwischenziel ist binnen kürzester Zeit zu erreichen.
Das Gepäck und das Fahrrad
Zum Glück hab ich aus den stauräumlichen Untiefen des Kellers in Köln zwei, vielleicht ein Jahrzehnt alte Gepäckträgertaschen aufgetrieben, die in ihrem Leben definitiv zu wenig Frischluft schnuppern durften. Während ich überlege, wie man sie mit Plastiktüten oder Müllsäcken regentauglich machen könnte, finde ich ein kleines Fach mit einem Regenüberzug. Die Fahrradgötter stehen auf meiner Seite! Zu den beiden Taschen nehme ich einen Rucksack mit. Außer Kleidung für drei Tage, einer Regenjacke und –hose, ein wenig Proviant und einer Wasserflasche sowie einem Schlafsack für meine erste Unterkunft, dürfen Luftpumpe, Lampe und Handyhalterung zum Navigieren im Notfall nicht fehlen. Dazu habe ich ein Notfallspray zum Flicken von kleineren Reifenschäden dabei. Da ich eine handwerkliche Niete bin, habe ich diese Möglichkeit dem konventionellen Flickzeug vorgezogen, habe jedoch die Hoffnung das Spray nie nutzen zu müssen. Bei dem Fahrrad, welches mich nach Köln bringen soll, handelt es sich um ein gewöhnliches Cityrad. 21 Gänge, in der Familie weitergegeben, Alter unbekannt, rot.
Der erste Tag
Wie weit der Hinterreifen jenes Cityrades gehalten hat? Keinen einzigen Meter. Freitag war noch alles gut, Samstagabend fehlte ihm jegliche Luft. Alles Pumpen half nichts, doch leider waren zu dem Zeitpunkt, als ich den Schaden bemerkte bereits alle Fahrradwerkstätten in meiner Umgebung geschlossen. Zähneknirschend starte ich Montagmorgen also nicht in Richtung Mainz und Wiesbaden, sondern schiebe mein Fahrrad in die nächste Werkstatt. Glücklicher Weise lässt sich der Schaden innerhalb eines halben Tages reparieren, Schlauch und Mantel werden gewechselt und um 15 Uhr kann ich die erste Etappe meiner Reise beginnen! Das Wetter ist herrlich – Sonnenschein, und trotzdem nicht zu heiß zum Radeln. Kaiserwetter in der Kaiserstadt, perfekte Bedingungen für eine Fahrradtour! Gude Frankfurt, Köln ich komme.
Kaum bin aus der Innenstadt hinausgefahren, kommen die Handyhalterung und Google Maps zum Einsatz und ich muss erkennen, dass der Plan immer am Flussufer entlang zu radeln nicht auf der gesamten Strecke umzusetzen sein wird. Einen verwirrenden Abschnitt über ein Autobahnkreuz und darunter hindurch (ich bin mir fast sicher zwei Mal durch dieselbe Unterführung gefahren zu sein) und kurzen Stücken über Trampelpfade (Danke, Google Maps), bin ich zurück am Ufer des Mains. Ich fahre am Frankfurter Flughafen vorbei, verweile auf einer Bank und sehe den Flugzeugen zu, die direkt über meinem Kopf hinwegschweben, lasse Raunheim, Rüsselsheim und Bischofsheim hinter mir und erreiche gegen 18 Uhr den Rhein. Die erste Müdigkeit macht sich bemerkbar – und dann kommt Wiesbaden. Dass dort alpine Verhältnisse herrschen habe ich nicht erwartet. Bergauf und bergab lotst mich mein Handy, teilweise über Wege die so steil und hoch sind, dass ich befürchtete bald die Schneefallgrenze zu erreichen (okay, okay, Wiesbaden-Kundige werden die wahren Begebenheiten kennen, so fühlt es sich zumindest als untrainierter Radler mit 45 Kilometern in den Beinen an). Gegen 19 Uhr erreiche ich den ersten Stopp meiner Reise, die WG eines ehemaligen Kommilitonen, in der ich für eine Nacht Unterschlupf finde und mich von der ersten Etappe erhole.
Ich habe jene, die gepolsterte Radlerhosen zum Radfahren tragen immer belächelt, mir gedacht dass das doch irgendwie seltsam aussieht. Nach über 50 Kilometern in Jeans auf einem harten Sattel lächle ich nicht mehr. Ich möchte auf diesen Aspekt nicht besonders detailliert eingehen, aber sollte sich eine Person, die dies hier liest zu einer längeren Radtour inspirieren lassen, sollte sie an eines denken: Polsterung rockt! Darüber hinaus merke ich, dass ich sportlich tatsächlich einige Defizite aufweise. Die Beine sind jetzt schon schwer und ich zweifle ernsthaft daran, wie ich die verbleibende Strecke bewältigen soll.
Warum man sich im Voraus vielleicht doch mit der Strecke auseinandersetzen sollte, was beim Buchen der Unterkunft beachtet werden muss und ob ich es tatsächlich bis nach Köln schaffe erfahrt ihr im zweiten Teil!