Ob Hörgeschädigt oder einfach als Angehöriger oder Freund an dem Thema interessiert, hast du dich eigentlich schon einmal gefragt ob Gehörlose auch sicher Radfahren können?
Im Jahr 2011 lebten laut statistischem Bundesamt ca. 300.000 Menschen mit Schwerhörigkeit, Taubheit oder einem gestörten Gleichgewichtssinn in Deutschland. Die Dunkelziffer ist weit höher und wird in den Millionenbereich geschätzt. Wer den Film “Jenseits der Stille” schon einmal gesehen hat, indem eine gehörlose Mutter nicht richtig Fahrrad fahren kann und durch einen tragischen Fahrradunfall stirbt, hat sicher schon einmal darüber nachgedacht, wie es ist als Gehörlose Rad zufahren.
Der Film vermittelt den Mythos, dass kein Gehörloser in der Lage ist, mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen. Dieser Mythos ist Falsch! Grundsätzlich heißt die Antwort auf die Frage, ob Gehörlose auch sicher Rad fahren können, “Ja!”
Gehörlose sind pflichtbewusst im Straßenverkehr
Allerdings war das noch nicht immer so. Bis nach dem 2. Weltkrieg wurden alle Schwerhörigen und Gehörlose in fast allen europäischen Ländern aus dem Straßenverkehr ausgeschlossen, da man annahm, dass die Sinnesbeeinträchtigung die Unfallanfälligkeit signifikant erhöhe. Erst nachdem Gehörlosen-Verbände Druck ausübten, erfolgte eine probeweise Zulassung. So können wir heute rund 30 Jahre Fahrpraxis überblicken. Laut einer in Zürich durchgeführten, quantitativen Studie, die Unfallzahlen und Übertretungen von Hörenden und Gehörlosen verglich, gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Probanden im gleichen Alter, mit gleichem Geschlecht, gleicher Wohnregion, und gleicher Fahrpraxis. Individuell zeigten die Gehörlosen Probanden weniger hohe Übertretungs- und Unfallzahlen. Daher werden diese Resultate als Hinweis angesehen, dass Gehörlose pflichtbewusste, aber leicht behinderte (Fahrrad-)Fahrer sind, die den Straßenverkehr nicht vermehrt gefährden.
Nichtsdestotrotz gibt es ein paar Dinge, die berücksichtigt werden müssen, ehe man sich als Gehörloser unbesorgt auf´s Rad schwingt.
Das Gehör ist im täglichen Leben von entscheidender Bedeutung, da es uns rechtzeitig vor Gefahren warnt, sei es zu Hause oder im Straßenverkehr. Wie auch immer, Gehörlose sollten sich trotz Einschränkungen nicht von vornherein den Mut nehmen lassen, auf dem Zweirad am Straßenverkehr teilzunehmen. Denn Schwerhörige und Gehörlose leiden nicht unter ein und derselben Erkrankung, die sicheres Radfahren unmöglich macht. Erst einmal gilt: Fahrradfahren kann und darf jeder. Allerdings sollten Betroffene verantwortungsvoll darüber entscheiden, ob sie für sich selbst und /oder andere im Straßenverkehr ein großes Risiko darstellen. Wer sich unsicher oder hilflos auf dem Rad fühlt, sollte vorerst nicht am Straßenverkehr teilnehmen.
Radfahren mit gestörtem Gleichgewichtssinn oder als Hörgeschädigter
Eine entscheidende Rolle spielt beim Radfahren der Gleichgewichtssinn. Wenn ein Hörgeschädigter zusätzlich an einem beeinträchtigten Gleichgewichtssinn durch Schäden im Innenohr leidet, führt das zu einer verminderten Koordination von Körperhaltung, Bewegung und Sehen. Solche Gleichgewichtsstörungen können sich auf dem Fahrrad in Schwanken oder anderen Bewegungsabläufen äußern, die für den Betroffenen gefährlich werden können. Radfahrer mit einem gestörten Gleichgewichtssinn sollten daher im Straßenverkehr vermehrte Vorsicht walten lassen und gewissenhaft entscheiden, ob es für sie sicher genug ist, am Straßenverkehr teilzunehmen.
Für hörgeschädigte Personen ohne Gleichgewichtsstörung bestehen die Probleme im Straßenverkehr lediglich in der Kommunikation. Anders als Hörende, erfassen Gehörlose ihre Umgebung einzig und allein mit den Augen und akustische Warnsignale – sei es eine Autohupe, eine Fahrradklingel oder Rufe – nicht wahrnehmen. Daher kann es für hörgeschädigte Fahrradfahrer schwierig werden, auf Notfallsituationen richtig und zeitgerecht zu reagieren.
Abhilfe
Um diese Risiken zu vermindern, können montierte Rückspiegel links und rechts am Lenkrad abhilfe schaffen.
Des Weiteren können hörgeschädigte Radfahrer auch einen Aufkleber mit dem Hinweis, dass man nichts hört anbringen, wobei da doch die Frage aufkommt, ob man sich selber stigmatisieren möchte. Außerdem sollte IMMER das Hörgerät getragen werden, wenn es zu einem besseren Hörverstehen beiträgt. Zu guter letzt, ist es für jeden, der am Straßenverkehr teilnimmt sehr wichtig, konzentriert und verantwortungsvoll zu agieren und reagieren. Dann kann doch gar nichts mehr schief gehen!
Zusammenfassend lässt sich sagen, als Gehörloser ist dir Fahrradfahren genau so vergönnt wie allen Hörenden. Solange keine schwerwiegenden Risikofaktoren wie zum Beispiel starke Gleichgewichtsstörungen auftreten, sollte es heißen: Ab auf´s Rad! Tue was für dich und deine Umwelt: Lebe gesund und grün, fahre Rad!