Malte ist ein selbsternannter Cycling Tourist – ein radelnder Tourist. Einige von euch erinnern sich sicherlich noch an das Interview, das wir mit ihm vor Beginn seiner großen Fahrt nach Helsinki geführt haben – was für ein Unternehmen! Nach der Tour haben wir Malte noch ein paar Fragen gestellt:
Was war rückblickend betrachtet das schönste Erlebnis auf der Tour?
Ein tolles Erlebnis war meine Begegnung mit meinen Couchsurfing-Hosts in Pila in Polen: Agnieszka und Piotr. Die haben mich nach meiner ersten und ziemlich erschöpfenden Etappe toll willkommen geheißen und sind einfach großartige und nette Leute mit denen ich mich super verstanden habe. Wenn man nach so einem Touring-Tag so geschafft ist, ist es schön, sich abends nicht verstellen zu müssen und auf eine schöne, unanstrengende soziale Situation zu stoßen. Ein anderer schöner Moment war z.B. als ich mich nach zwei Tagen Durchfahren entschieden habe, mir in
Zelenogradsk (in Königsberg, russische Enklave) ein Hotel zu nehmen und mich auszuruhen. Die Entscheidung hatte etwas Befreiendes und entsprechend habe ich den Abend dort sehr genossen: Bei schwerem Wind und Sonnenuntergang – frisch geduscht, gesättigt und warm eingepackt unter die Touristen gemischt an der Strandpromenade entlangzulaufen war einfach das perfekte Abendprogramm.
Gab es unerwünschte Überraschungen? Wie gingst du damit um?
Ja, davon gab es einige. Generell gilt: Alles was man tun kann ist, auf Unannehmlichkeiten 1. vorbereitet sein und 2. mit Problemlösung reagieren; sich darüber zu ärgern oder „was wäre wenn“-Szenarien durchzuspielen sind Zeitverschwendung. Z.B. ist mir schon am ersten Abend meine teure Fahrradbeleuchtung im Regen abgesoffen, sodass ich auf mein Notlicht zurückgreifen musste. Ein paar Tage später ist die Lampen-Halterung gebrochen sodass meine Kabelbinder zum Einsatz kamen. Dadurch dass ich die entsprechenden Vorkehrungen getroffen hatte, haben die Lampenprobleme zu keinem größeren Drama geführt. Oder: Trotz meiner sorgfältigen Streckenplanung habe ich mich mit dem Belag russischer Straßen verschätzt. Auf der Etappe nach St. Petersburg musste ich mich deshalb mal durch einen Meter hohes Gras pflügen, durch einen sumpfigen Bach waten, viele Mückenstiche davontragen – nur um dann von einem Gewitter durchnässt zu werden – und dann noch 160km Autobahn fahren. So eine Situation kann man einfach nur hinnehmen und vielleicht noch die eine oder andere Lehre daraus ziehen. Zugegebenermaßen ist mir trotz größtmöglicher Gelassenheit in der ländlichen Abgeschiedenheit auch mal das eine oder andere Schimpfwort rausgerutscht.
Du hast gerade schon das Equipment erwähnt. Wie kamst du mit deiner Ausstattung klar?
Ausgezeichnet! Mein Fahrrad hat sich als die perfekte Wahl herausgestellt. Ich bin ja auf einem zum Straßenrad umfunktionierten Cyclocross-Rad gefahren; Also eine Art Rennrad für den Offroad-Gebrauch, das ideal für solche Marathonstrecken war: Bequem, robust, leicht und schnell. Schaltung und Scheibenbremsen liefen absolut perfekt und zuverlässig. Ich glaube, ich habe mich auf dem Rad noch nie so sicher und stabil gefühlt. Auch für meinen neuen Rucksack war das die erste richtige Radreise und da ist natürlich besonders wichtig, dass er perfekt sitzt; von allen Körperteilen hatte mein Rücken die geringsten Beschwerden; trotz Beladung. Ob mein GPS-Gerät
sinnvoll war muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen. Sobald ich von den ursprünglich detailliert geplanten Strecken abgewichen bin habe ich es meistens nur noch als Kompass genutzt; damit war es glaube ich eher unterfordert. Ein Equipment-Experiment war meine Beleuchtung: Ich habe hier einen Felgendynamo von einem Kölner Hersteller genutzt (Velogical), der weltweit einzigartig ist. Das hat voll funktioniert! Über eine USB-Buchse konnte ich während der Fahrt sogar mein Handy laden; da kann die Radbonus-App also auch ein paar Tage laufen 😉 Auch die Lampe war vom Licht her unglaublich gut. Leider gab es da ja einige Probleme mit Regenwasser und der Stabilität der Halterung, aber ich wurde schon persönlich von dem Hersteller kontaktiert, das fand ich beeindruckend. Die Regen-Probleme sollen wohl für die ganze Serie behoben sein; das werde ich dann herausfinden.
Wie war das Gefühl am Ende der Reise?
Glücklich und befreit. Die Tour war insgesamt physisch natürlich sehr anstrengend für mich. Da war es wirklich schön zu wissen, dass jetzt alle betroffenen Körperteile wieder längerfristig entspannt werden können. In Helsinki und auf der langen Fährüberfahrt nach Deutschland habe ich dann eines besonders genossen: Ziellosigkeit; also mal kein Ziel berücksichtigen zu müssen, sondern einfach nur faul durch die Gegend zu flanieren oder auf dem Passagier-Deck herumzuliegen. Und natürlich war es ein tolles Gefühl, mir klar zu machen, wo ich bin und dass ich da nur Kraft meiner Muskeln hingekommen bin. Allerdings war das Gefühl in Helsinki schon ein bisschen dadurch getrübt, dass ich zwischendurch eine Busetappe hatte. In St. Petersburg war dieses irre Gefühl deshalb stärker.
Das könnte dich auch interessieren: