Andere Länder, andere Sättel – Finnland: Auf Spikes in die Schule

Auf Spikes in die Schule

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In dieser Serie möchten wir die Fahrrad-Erfahrungen verschiedenster Menschen in den unterschiedlichsten Ländern vorstellen. Den Anfang macht Aleks mit seinen Radfahr-Erlebnissen aus Finnland.

Die Fakten

Finnland ist eines der am dünnsten besiedelten Länder Europas. Mehr als ein Zehntel der etwa 5,5 Millionen Einwohner Finnlands leben in der Hauptstadt Helsinki. Gerade einmal 16,26 Menschen leben im Durchschnitt pro Quadratkilometer in dem Land, welches nur kaum kleiner ist als Deutschland. Zum Vergleich: Die Bevölkerungsdichte hierzulande beträgt 231 Menschen pro km². Die Finnen sind außerdem so aktiv wie wenig andere Europäer. Eine Eurostat-Studie aus dem Jahr 2014 ergab, dass sich 54,1 % der Finnen wöchentlich mindestens zweieinhalb Stunden körperlich betätigen. Das ist der Spitzenwert in der Europäischen Union, der in Europa nur noch von Island (59 %) und Norwegen (56 %) übertroffen wird.

Das Interview

Aleks lebt seit fast sechs Jahren in Finnland. Er studiert Sports and Leisure Management im etwa 500 Kilometer nordöstlich von Helsinki gelegen Kajaani.

Die kälteste Temperatur, die er in Finnland erlebt hat, war 31 Grad unter Null. Bei diesen Temperaturen lassen selbst die hartgesottenen Finnen ihre Räder stehen. Trotzdem: Während einige Deutsche bei der kleinsten Aussicht auf Schnee oder sogar schon Regen ihr Fahrrad im Keller lassen, sind es in Finnland vor allem die Schulkinder, die fast ganzjährig auf ihren Drahteseln unterwegs sind – notfalls mit Spikes unter den Reifen. Klingt interessant? Im Interview könnt ihr Aleks´ Erfahrungen mit dem Radfahren in Finnland nachlesen!

Anmerkung: Das Interview wurde am 06.03.2018 geführt und spiegelt die persönlichen Erfahrungen der interviewten Person wieder. Das Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt.

Welchen Stellenwert hat das Radfahren deiner Erfahrung nach in Finnland?

Fast alle Schulkinder fahren das gesamte Jahr über mit dem Rad zur Schule, egal ob Frühling, Herbst oder Winter. Wenn doch einmal zu viel Schnee liegt, haben viele von ihnen Spikes für ihre Reifen, mit denen sie sich auch auf noch nicht geräumten Strecken fortbewegen können.

Die größte Radfahr-Community Finnlands gibt es in Helsinki. Ganz unterschiedliche Menschen sind dort auf dem Fahrrad unterwegs. Viele fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit, Eltern bringen ihre Kinder in Anhängern in den Kindergarten, auch im Winter. Dann sind die Anhänger allerdings geschlossen.

In den ländlichen Gebieten habe ich andere Erfahrungen gemacht. Dort ist es vor allem bei Jugendlichen “cool”, ein Auto zu haben und es natürlich auch zu benutzen. Vielen sind die positiven Effekte des Radfahrens, die es neben den körperlichen Effekten gibt, nicht bekannt. Das Nachhaltigkeitsdenken findet vor allem in den größeren Städten, besonders in Helsinki, statt.

Bist du selbst schon in Finnland Fahrrad gefahren? Wenn ja: wie ist es, vor allem im Vergleich zu Deutschland? Wenn nein: Was hielt dich davon ab?

Wenn ich in die Uni muss, nehme ich meistens das Fahrrad. Auch zum Einkaufen fahre ich mit dem Rad, mit meinem Korb und einem Rucksack funktioniert das gut. Ich muss allerdings gestehen: Ab gewissen Temperaturen lasse ich das Fahrrad doch stehen. Und Spikes habe ich für meine Räder leider auch nicht.

Was müsste sich in Finnland für Fahrradfahrer verbessern, damit mehr Menschen ihr Rad nutzen?

In Helsinki zahlen einige Unternehmen ihren Angestellten mehr Lohn, wenn sie mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Das ist ein interessantes System und sollte von deutlich mehr Unternehmen eingeführt werden. Generell habe ich das Gefühl, dass zu wenig Menschen die Vorteile des Radfahrens kennen. Da könnten Organisationen oder die Regierung ansetzen, und so mehr Leute aufs Fahrrad bekommen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es in den kleineren Städten zu wenige Fahrradwerkstätten und Geschäfte gibt, in denen man Zubehör und Ersatzteile bekommt. In Helsinki gibt es erste Versuche, das Radfahren attraktiver zu machen. Mit dem “Baana Cyling Corridor” wurde eine Möglichkeit für Radfahrer geschaffen, die Stadt schnell und von Autos ungestört zu durchfahren. Dennoch gibt es auf vielen Wegen keine eindeutig gekennzeichneten Fahrradwege, sodass es häufig zu Nutzungskonflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern kommt. Das sollte verbessert werden. Genauso sollte es zwischen kleineren Orten gut ausgebaute Fahrradschnellwege geben, damit auch die Menschen außerhalb Helsinkis häufiger aufs Rad steigen.

Was läuft in Finnland besser als in Deutschland?

Leider bin ich in Deutschland noch nicht Fahrrad gefahren, da ich noch nicht so lange hier lebe. Was mir in Finnland allerdings wirklich gut gefällt, ist die intelligente Technik, die bei wenig Verkehr Radfahrer und andere Verkehrsteilnehmer erkennt und die Ampel auf grün schaltet, sobald man sich einer Kreuzung nähert, sofern keine anderen Fahrzeuge in der Nähe sind. Somit werden unnötige Wartezeiten vermieden.

Was gefällt dir am Radfahren?

Wenn ich neu an einem Ort bin, ist es viel einfacher, ihn auf dem Fahrrad zu erkunden. Während eines längeren Aufenthaltes an einem Ort kaufe ich mir gerne ein gebrauchtes Rad und entdecke die neue Umgebung. Das geht mit dem Fahrrad besser als mit dem Bus, weil ich mir aussuchen kann, wo ich hinfahre und wo ich anhalte. Ich erlebe den neuen Ort viel intensiver als durch ein Autofenster. Ich höre, sehe, rieche und fühle den Ort ungefilterter und echter. Außerdem ist es viel günstiger.

Im Alltag nutze ich mein Fahrrad häufig für Fahrten zum Supermarkt und für die Strecke zur Uni. Vor allem die Fahrt von der Uni genieße ich, weil ich auf dem Fahrrad einfach abschalten kann. Fahrradfahren ist Sport und Entspannung in einem.

Was möchtest du noch loswerden?

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