Wir begeistern uns fürs Radfahren – und für Menschen, die leidenschaftlich Fahrrad fahren. Einer davon ist Malte Hager – ein Cycling Tourist, wie er sich selbst nennt. Doch was ist ein Cycling Tourist? Auf Deutsch heißen sie „Fahrradtouristen“. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Menschen, die die Welt mit dem Fahrrad erkunden, statt ins Flugzeug, Schiff oder Auto zu steigen. Meistens geht es den Fahrern nicht primär um den Sport als solchen, sondern um das Erlebnis, die Welt mit dem Fahrrad zu erkunden und somit fremde Gegenden aus einer anderen Perspektive zu erleben – Spaß, Abenteuer und Selbstständigkeit stehen hier im Vordergrund.
Malte hat als Cycling Tourist bereits mehrere Urlaubsfahrten auf dem Fahrrad unternommen, z.B. von Essen nach Luzern oder von Berlin nach Stockholm. Aktuell ist er nach Helsinki unterwegs, der Startpunkt ist erneut Berlin. Zwischenstationen werden unter anderem Piła, Riga und St. Petersburg. Insgesamt ergibt das eine Strecke von 2177 km – eventuell mit Verlängerung nach Pori. Der Cycling Tourist hat uns verraten, was seine Tour für ihn besonders macht, welches Equipment er mitnimmt und wie er überhaupt an ein Visum nach Russland kam. In einem Interview gibt er uns Einblicke in sein Vorhaben:
Hallo Malte, erzähl doch mal, wie kommt es, dass du dir gerade
Helsinki als Ziel gesetzt hast?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Es ist ja generell schon ungewöhnlich, im Sommer Richtung Norden zu radeln. Der wichtigste Grund für diese Tour ist jedoch, dass ich das Baltikum mal kennenlernen möchte. Ich habe so viel Spannendes darüber gehört. Als ich in Amsterdam an der Musikhochschule war, habe ich viele Menschen aus der Region getroffen – vor allem Litauer – allesamt sympathisch und voller inspirierender Geschichten. Auch St. Petersburg hat mich schon seit Jahren brennend interessiert – eben auch auf Grund der Erzählungen. Jetzt ist es an der Zeit meine eigenen Geschichten zu erleben.
Ursprünglich hatte ich geplant, von Tallinn nach Helsinki eine Fähre zu nehmen – einfach weil es recht kompliziert ist, ein Visum für Russland zu bekommen. Dann hatte ich jedoch zufällig eine Couchsurferin aus Russland zu Besuch und habe mich mit ihr über ihr Land unterhalten – danach musste ich das Land unbedingt kennenlernen, sprich, auch diese Visums-Sache einfach mal auf mich nehmen. Ganz besonders um mit eigenen Augen zu sehen, wie die Menschen da so sind. Ich habe bisher immer wieder gemerkt, dass die Leute doch anders sind als die allgemeinen Konzeption von ihnen. Deshalb wollte ich mal für mich eine Realitätsgrundlage schaffen, um mir sozusagen mein eigenes Urteil bilden zu können. Im Mittelpunkt meiner Tour steht also der kulturelle Austausch und die Erfahrung.
Wie lief das dann mit dem Visum für Russland?
Das war, wie ich schon angedeutet habe, ein ganz schöner Prozess. Vor allem deshalb, weil bei Fahrten mit Reiseagenturen, die Agentur sich um das Visum kümmert. Da ich meine Reise eigenständig plante, musste ich selbst herausfinden, welches Visum genau ich brauchte und welche Dokumente dafür von mir gefordert wurden. Letztendlich habe ich dann Kontakt zu einem russischen Rad-Club aufgenommen. Dieser hat mir dann eine Einladung nach Russland verschafft – welche ich fürs Visum brauchte. Das verlief jedoch ganz reibungslos. Jetzt habe ich einen schönen Visumsstempel und Visumsseite in meinem Pass. Die nächste Hürde ist die Einreise und die Ankunft bei den Beamten an der Grenze. Ich als Cycling Tourist sehe auf den ersten Blick aus wie ein Roboter, so mit Spandex und Fahrradbrille, Helm und diesem komischen Aufbau. Da bin ich gespannt, wie die Beamten gucken werden.
Oha, das hört sich speziell an. Erzähl’ mal etwas von deiner Ausstattung. Mit welchem Fahrrad bist du unterwegs?
Ich hab‘ ein Cycle Cross Rad. Das ist ein handelsübliches Rennrad vom Rahmen her, jedoch etwas stabiler gebaut. Dennoch ist es nicht schwerer – es wiegt ca. 8.5 kg.
Und wie sieht es mit dem Aufbau und dem Gepäck aus? Es ist sicherlich nochmal etwas besonderes mit wenig Gepäck wie möglich eine so lange Reise anzutreten.
Ja, genau, daraus ergeben sich gerade ein paar Besonderheiten für die Tour. Zum Einen, dass ich die Reise mit dem Rennrad antrete und trotzdem volles Equipment dabei habe, so wie Zelt, Schlafsack – einfach alles. Ich baue das Gepäck auf meinem Rad aerodynamisch auf um so wenig Luftwiderstand wie möglich zu haben. Ich habe beispielsweise einen Sattelstützengepäckträger zweckentfremdet. Den stelle ich hinter dem Sattel schräg nach oben. Dann baue ich mein Gepäck hinter meinem Rücken auf und fahre mit Rucksack – das heißt, dass ich, außer der Lenkradtasche, nicht viel mehr Luftwiderstand habe, als ohne Gepäck. Das macht die Fahrt schon recht effizient und dadurch kann ich hoffentlich auch einen Schnitt von 25 bis 30 km/h halten – trotz Gepäck.
Für mich war es wichtig, das sehr leichte, limitierte Rennradmäßige beizubehalten – meistens fahren die Leute ja mit riesigen Packtaschen und Trekkingrad. Aber eben das mache ich nicht. Wenn ich schon ein Rennrad habe, dann möchte ich diese Rennradfeatures, die das Rennradfahren so schnell und schön machen, auch beim Touring behalten. Das heißt, ich fahre in derselben Position, mit derselben Attitüde wie ein Racer, aber halt mit allem, was ich so unterwegs brauche.
Wie viele Kilometer möchtest du damit pro Tag schaffen?
Wenn alles klappt, dann mache ich auf meinem Rad ordentlich Kilometer. Mein Ziel ist es, in der Regel mindestens 200 Kilometer am Tag zu schaffen. Die längste Distanz auf der Route sind 340 km. Ich weiß noch nicht, ob ich das schaffe – das ist halt die Challenge daran.
Du nimmst ja sicher auch technisches Equipment mit, um deine Strecke zu messen oder deine Freunde auf dem neusten Stand zu halten. Was nimmst du mit? Und wie versorgst du dich mit Strom auf der Fahrt? Das Beste Tracking-Device nützt ja nichts, ohne die nötige Versorgung.
Ich habe zum Einen einen Tacho, der einfach mit dem Rad und Magneten verbunden ist. Dann habe ich noch ein Garmin GPS. Dies läuft immer mit, so dass ich abends alle Daten über mein Handy auf eine Garmin Plattform – Gramin Connect – hochladen kann. Von da aus importiere ich meine GPS-Tracks auch auf Strava.
Auch mit Strom und Elektrizität bin ich gut ausgerüstet. Ich habe eine Powerbank und ein zusätzliches Felgendynamo. Das ist ein Spezialteil, welches ich mir von einem kleinen Dynamobauer hier in Köln gekauft habe. Es ist supereffizient und in meinem Fall praktischer als ein Nabendynamo. Ich erreiche fast so viel Output wie mit einem Nabendynamo, doch habe weniger Reparatur- und Einbauaufwand.
200 km – das ist ja schon ein Stück. Hast du dafür eigentlich extra trainiert?
Nein, ich habe dieses Jahr vielleicht drei Tagestouren gemacht. Bei der einen habe ich meine erste 300er-Marke geknackt. Da bin ich Fronleichnahm von Heidelberg nach Köln hochgeradelt. Und… irgendwie klappt das – irgendwie macht mein Körper das mit.
Noch vor ein paar Jahren hatte ich es gar nicht für möglich gehalten, dass man mehr als 170 km an einem Tag schaffen kann, doch nun weiß ich, dass es auch eine Frage des mentalen Zustands und der Erfahrung ist. Man kann als erfahrener Cycling Tourist nach einiger Zeit besser einschätzen, wann man Pausen braucht, wann der Körper Nahrung benötigt und wie lange man für den Rest des Tages noch braucht. Es bauen sich auch Motivationsmechanismen auf. Ich weiß jetzt genau, wie ich mich motivieren kann, um weiterzukommen, ohne am Ende komplett erschöpft zu sein. Es ist echt ‘ne Frage von Wissen, Erfahrung und den richtigen Zielen.
Hast du denn schon weitere Ziele bzw. Touren-Pläne für die Zukunft?
Ja, ich werde auch andere Touren machen – ich habe mir viel vorgenommen. Auf jeden Fall möchte ich nach Portugal radeln. Ich schließe auch längere Touren, bei denen ich ein paar Monate unterwegs bin, nicht aus.
Eine kleine Frage im eigenen Interesse: Wie kamst du auf Radbonus?
Durch Nora. Sie saß, so wie ich, hier [im Startplatz Köln] und wir kamen ins Gespräch. Über sie habe ich Radbonus kennengelernt, habe es mir dann angeschaut und fand die Idee ganz interessant. Hinzu kommt noch, dass für mich zum Fahrradfahren auch die Community gehört – ich finde es gut in einer Community von aktiven Radfahrern etwas zu teilen, vor allem, da ich mich selbst immer freue, wenn ich Fahrradfahrer sehe, egal ob alt oder jung.
Vielen Dank, Malte und viel Spaß und Erfolg auf deiner Tour! Wir sind gespannt, wie es weiter geht.
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