Was ist Quantified Self?

Zur Zeit explodiert das Interesse am Vermessen des eigenen Ichs, den sogenannten Quantified Self Methoden. Der Zugang zu Sensoren und deren Daten ermöglicht mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten. Dabei ist der eigenen Kreativität kaum noch Grenzen gesetzt. Bei Bodyhacking hört bei vielen aber der Spaß auf. Aber fangen wir erst einmal von vorne an. Was ist Quantified Self überhaupt?

 

Die Neugierde des Menschen am eigenen Selbst ist ein altes Thema. Vieles wurde schon vermessen, da gab es nur Stift und Papier. Heute gehts tendenziell technischer zu. Viele denken bei dem Thema direkt an die aufkeimenden Fitness- und Wellbeeing-Apps, an die Trackingarmbänder und Smartwatches. Vom Herzrhythmus bis hin zum Ess-, Bewegungs- und Schlafverhalten wird alles dokumentiert und analysiert. Kurz: Alle Alltags- und Körperaktivitäten werden aufgezeichnet und analysiert. Durch die voranschreitende Digitalisierung wird dieses „Vermessen des Ichs“ immer einfacher und für die breite Masse zugänglicher. Diese Bewegung wurde im Jahr 2007 von den Wired-Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly als “Quantified Self” getauft. Neben dem reinen Analysieren gehören ganze Netzwerke von Anwendern dazu, die sich weltweit über ihre Experimente, über ihre Daten und was sie daraus für sich persönlich schlußfolgern, diskutieren.

Alles fängt mit einer Frage oder einer These an, die irgendwie untersucht werden soll. Es gibt die verschiedensten Themengebiete und Vermessungs-Arten. Und dabei kann es auf dem Weg zur Antwort höchst kreativ zugehen.

 

Beispiele für Quantified Self

Zu den skurileren Thesen zählt wohl, dass jemand glaubte, dass ein Stück Butter im morgendlichen Kaffee ihm beim Denken helfen würde. Jeden Morgen mixte er sich also aus einem viertel Stück Butter und Kaffee seinen Power-Drink zusammen. Dies dokumentierte er dann feinsäuberlich mit einem Foto (wie auch jede andere Mahlzeit). Danach machte er Rechentests am Rechner und ermittelte, ob seine Denkleistung gestiegen sei. Zusätzlich variierte er die Art der Kaffeebohnen, um zu prüfen, ob es Veränderungen desbezüglich gab. Er konnte zwar am Ende für sich eine Leistungssteigerung nachweisen, jedoch konnte das Ergebnis von keinem anderen Community-Mitglied reproduziert werden. Da liegt die Frage nahe: War es nur ein Placebo Effekt?

 

Ein einfacheres Beispiel ist das Abnehmen. Nehmen wir an, jemand ist Keks-süchtig. Mittels einer Strichliste kann er notieren, wie oft er in die Keksdose gegriffen hat und somit wie viele Kekse er im Laufe des Tages gegessen hat. Bei dem ganzen Spiel, wird unserem Keks-Süchtigem nach und nach bewusst, wie viele Kekse er tatsächlich zu sich nimmt. Denn die subjektive Wahrnehmung, das “Ich hab das im Gefühl” ist objektiv gesehen ein sehr fehlerhaftes Messinstrument.

 

Eine weitere Möglichkeit ist sich zusätzlich zu wiegen. Dabei gibt es heute Waagen, die alle Daten an den Computer übermitteln. Da sich die Person jetzt bewusst ist, wie viele Kekse sie pro Tag, Woche oder Monat zu sich genommen hat, kann sie durch eine Reduzierung des Kekse-Essens prüfen, ob sie abgenommen hat. Zusätzlich ließe sich mit einem Maßband die Veränderungen des Körperumfangs messen. Durch ein Vorher-Nachher-Bild können die Ergebnisse visualisiert werden. All diese Daten werden notiert. So entsteht eine Übersicht über die Veränderungen des Körpers. In ihrer Gesamtheit geben sie dann Aufschluss über das eigene Verhalten. Hiermit wird die subjektive Wahrnehmung mit validen Informationen untermauert. Dies kann unendlich fortgeführt werden. Wie zum Beispiel mit Apps: Die Schritte, die Geschwindigkeiten, die Steigung und der Kalorienverbrauch werden beim Jogging (Runtastic-App) gezählt. Sogar der Puls kann gemessen werden. Hierzu sind allerdings schon entsprechende technische Zusatzgeräte, außer dem Smartphone, von Nöten.

Ziele und Motivation

Jetzt kann zu Recht gesagt werden, wozu der ganze Aufwand? Das frisst doch alles nur Zeit! Ja, das kann es (wobei die Technik hier schon sehr viel Zeit einspart), aber es gibt verschiedene Ziele und Motivationen, die die Menschen antreibt.

Ein Ziel des Quantified Self ist es das eigene Leben zu optimieren sowie die eigene Neugierde zu stillen. Zusätzlich soll die eigene Gesundheit und Lebensqualität verbessert werden, in dem man bspw. aktiver wird. Diese Ziele sind Wünsche, die jede Generation begleiten. Durch die heutige Technik ist es leichter diese Ziele zu erreichen bzw. sichtbar zu machen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass es sich hier auch um ein Hobby oder eine Leidenschaft handelt. Dafür investiert man dann auch gerne seine Zeit. Vielleicht hat es auch etwas mit dem Bedürfnis von Kontrolle und einem Gefühl der Sicherheit zu tun. Zudem sind die technischen Sensoren objektiv und unbeeinflussbar durch die Persönlichkeit des Anwenders. Was wiederum mehr Vertrauen in die Technik aufbaut. Im Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien. Sie gelten als Durchschnitt. Und hier wird gerne der Spruch genannt: Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.

 

Ansporn von außen

Zur eigenen Motivation wird der Anwender zusätzlich von den elektronischen Helfern (Apps, Fitnesstracker) motiviert. Dies kann durch flotte Sprüche und Lob sein oder durch eine Verbesserung der eigenen Daten. Zum Beispiel wenn die Laufzeit beim Joggen sich stetig verbessert. Auch materielle Belohnungen spielen beim Quantified Self eine Rolle. Hier wäre als Beispiel die Radbonus-App zu nennen. Diese richtet sich an Radfahrer. Die Kilometer, die gefahren werden, werden gesammelt und können gegen attraktive Prämien eingetauscht werden. Dies geschieht durch Rabatte oder Gutscheine bei teilnehmenden Shops. Besonders viel Spaß macht es, wenn Freunde aus dem direkten Umfeld bei den Aktivitäten mitmachen. Ein weiterer Ansporn sind die Netzwerke, in denen die User ihre Daten synchronisieren und diskutieren. Des Weiteren informieren Blogger zum Thema Self-Tracking. Diese Online-Community ist in einem stetigen Wachstum. Des Weiteren werden Rankings und Bestenlisten geführt. Dies erinnert stark an ein Computerspiel, in dem Aufgaben erledigt werden müssen, um einen Level aufzusteigen oder eine Belohnung zu erhalten.

Mit all diesen Motivationen kann es durchaus zu einer Veränderung des eigenen Verhaltens kommen. Im besten Falle ist es eine gesundheitsfördernde Veränderung, die auch beibehalten werden kann.

Was ist mit dem Datenschutz?

Wie bereits erwähnt, entstehen sehr viele Daten. Daten, die von Dritten gespeichert werden oder die man selbst mit Dritten kommuniziert. Sei es mündlich unter Privatpersonen oder über eine Datenleitung in die Öffentlichkeit. Da stellt sich die Frage: Wollen wir das wirklich so? Was ist mit dem Datenschutz?

Eins ist auf jeden Fall klar, es entsteht immer mehr ein Markt für große Unternehmen, wie Versicherungen oder Krankenkassen. Für sie dürfte dieser scheinbar unendliche Bestand an Gesundheitsdaten sehr wertvoll sein. Bereits jetzt bieten Krankenkassen Apps an, die die Schritte des Versicherten zählen. Die Kunden können sich ihren Gesundheitsindex ermitteln lassen und prüfen, wie dieser sich an den Lebensstil anpasst. Zurzeit sind viele der Daten anonymisiert. Da bedeutet, dass die Daten keiner bestimmten Person zugeordnet werden können. Jedoch warnen Verbraucherschützer, dass sich dies in Zukunft ändern könnte. Es wird befürchtet, dass die Versicherten belohnt werden, die durch die Nutzung der Apps vorweisen können, gesünder zu leben, als Nicht-Anwender. So würde das Verhalten einer Person mit in den Tarif einbezogen werden können. Bisher ist das laut den gesetzlichen Krankenkassen nicht geplant. Die Gefahr beim dieser Methode des Quantified Self besteht also darin, dass unser Solidaritätsprinzip ausgehebelt werden könnte. Es ist so, dass alle Bürger Deutschlands in einen großen Topf einzahlen. Unabhängig davon, ob sie alt, jung, dick oder dünn sind. Gerät jemand in Not, unabhängig ob selbstverschuldet oder nicht, bekommt er Hilfe und Zuwendungen aus diesem großen Topf. Bisher orientiert sich die Beitragsbemessung am Einkommen des Versicherten. Einige private Krankenversicherungen planen personenbezogene Gesundheitsdaten zu sammeln und ihren Mitgliedern Rabatte zu gewährleisten. Wenn Gesundheitsdaten gesammelt werden, dürfen die Versicherten dadurch keine Nachteile erhalten und sollten weiterhin Herr über ihre Daten bleiben. Als allgemeiner Hinweis kann hier nur genannt werden, dass der Anwender sich darüber informieren sollte, wie seine Daten behandelt werden und wohin sie fließen. Ist dies unklar, besser die App wechseln.

Zudem können große Unternehmen mit Hilfe des Quantified Self das gewonnene Wissen auch dazu nutzen personalisierte Werbung zu schalten. Oder auch um sinnvolle und personalisierte Gesundheitshinweise besser platzieren zu können. 

Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Durchaus existieren Apps, die keine persönlichen Daten verlangen. Sie werden heruntergeladen und sind einsatzbereit. Keine E-Mailadresse wird verlangt, kein Name oder sonstiges. Radbonus gehört zu diesen Apps. Das Einzige, was diese App speichert sind die gefahrenen Kilometer, aber nicht mal die Strecke wird getrackt. Sobald die App beendet wird, löscht sie alle Standortdaten vom Handy. Nur die Summe der Kilometer bleibt bestehen. Klingt einfach. Ist es auch.

 

Was ist sonst noch gut zu wissen?

Ein weiteres Problem bei der Methode des Quantified Self ist, dass es bisher eine Menge Daten gibt, die aufgenommen werden, allerdings ist noch nicht annähernd bekannt wie diese Daten entstehen. Gemeint ist, dass die physiologischen Prozesse im Körper noch nicht ausreichend erforscht sind und die aufgezeichneten Daten lediglich die Ergebnisse dieser Körperprozesse darstellen, sagte Prof. Ingo Froböse der Zeit Online. Mit anderen Worten: Das Gewicht kann ein Indikator für Gesundheit sein, letztendlich ist es aber erst einmal ein Symptom, wenn es sich verändert. Der Grund dafür kann unklar sein (A. Schadwinkel: Die 10.000 Fragezeichen, In: Zeit Online). Außerdem geben die Fitnesstracker zuerst einmal nur eine Auskunft über das Verhalten des Menschen und nicht über seine allgemeine Gesundheit. Gut daran ist, dass so Fehlverhalten aufgedeckt werden kann und ablesbar ist, wie sich das neue Verhalten auf einen selbst auswirkt. Laut Statistischem Bundesamt bewegen sich die Menschen in Deutschland immer weniger, weshalb Apps und Fitnesstracker durchaus zu mehr Aktivität beitragen können.

Vorsicht ist auch Geboten, wenn Übungen durch die digitalen Helfer vorgemacht werden und der Anwender diese nachahmt. Es ist niemand anwesend, der die Haltung des Anwenders korrigieren könnte. Dies kann zu Verletzungen führen. Darum ist auch hier wieder ein Ansporn darin zu sehen, sich jemanden, der Ahnung hat, dazu zu holen. Das führt wiederum dazu, sich zu motivieren.

Die Selbstvermessung hilft also vielen einzelnen Gruppen: Sportlern hilft sie ihre Leistung zu optimieren. Chronisch Kranke können mit diesem Monitoring eine besser medizinische Versorgung erhalten. Als Suchtkontrolle wird der User für den eigenen Tabakkonsum sensibilisiert. Oder aber man hat einfach Spaß an der Benutzung. Denn letztendlich braucht es nicht nur Motivation von außen, sondern auch der innere Schweinehund muss überwunden werden. Das geht am besten, wenn man selber mit Freude dabei ist.

 

Fazit

Die Probleme und Nachteile sind bekannt und können erst einmal nur abgeschwächt werden. Es gilt einfach vorsichtig mit den ganzen digitalen Helfern um zu gehen, um körperlichen Schaden zu vermeiden. Allerdings gilt auch Vorsicht bei der Veröffentlichung seiner Daten. Jeder sollte sich klar machen, dass es einen großen Nutzen mit sich bringt solche Programme und Geräte zu nutzen, aber auch Gefahren, wenn die eigenen Daten in die falsche Hände geraten. Insbesondere ist noch unsicher, was große Unternehmen mit den Daten des Quantified Self anstellen. Hier gilt es besonders aufzupassen. Denn die letzte Verantwortung liegt beim Anwender. Kurz: Wer vernünftig mit den Apps und Wearables umgeht, wird sehr lange einen großen Nutzen daraus ziehen.

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